17. - 22.6.2022
Caraz – Cajabamba – Cajamarca – Trujillo – Lambayeque – Piura – Zorritos
Zurück an die Küste wollen wir nicht und entschliessen uns entlang der PE3N durch die Berge in Richtung Cajabamba zu fahren, wir rechnen mit drei lockeren Fahrtagen. Im Canon del Pato (Entenschlucht) geht es durch 54 kaum behauene, einstreifige, lichtlose Tunnel, Sicherheitsinstallationen gibt es sowieso keine. Kreuzen ist in den Tunnels meist nicht möglich oder Millimeterarbeit. Es gibt in der Dunkelheit unbeschriftete Abzweigungen, die direkt in den Abgrund führen.
Für 175 Kilometer benötigen wir sieben Stunden, im Durchschnitt 25 kmh. Insgesamt werden es vier anstrengende Fahrtage über eine Strasse, die schrittweise von einigermassen asphaltiert und zweispurig, in einen schlechten Feldweg mutiert. Die Brücken sehen wenig vertrauenserweckend aus. Busse, Lastwagen, Collectivos, alles ist hier unterwegs, wir beobachten haarsträubende Überholmanöver. Unsere während Jahrzehnten in der Schweiz antrainierte Huphemmung haben wir abgelegt und stimmen zu unserer Sicherheit in das permanente Hupkonzert selbstbewusst mit ein.
Wir fragen am Strassenrand, ob wir uns auf der richtigen Route befinden, die Antwort: «Si, si, de frente» (ja, ja, alles geradeaus). Der Witz des Tages, denn diese ‘Strasse’ besteht nur aus Kurven.
Wir übernachten schön, einsam am Fluss, an alten Strassenabschnitten mit toller Aussicht oder am Startpunkt eines Fusswegs zu einem Wasserfall.
Manchmal ist die neue Strasse – fast – fertig, nur die Haarnadelkurven sind noch nicht asphaltiert und nur einspurig befahrbar. Wir fragen uns, was das nützen kann.
In Shorey sehen wir die Auswirkungen des Goldabbaus: riesige Abraumhalden, armseligste Hütten dafür eine vierspurige Autobahn zum Abtransport des Edelmetalls.
Nach vier Tagen erreichen wir Cajamarca und sind froh die koloniale Altstadt ausgiebig zu Fuss erkunden zu können. Im Cuarto del Rescate wurde der letzte Incakönig gefangen gehalten und der Sage nach versuchte er sein Leben zu retten, indem er sein Volk den Raum mit Gold für die Spanier füllen liess. Es hat nichts genützt, er wurde auf dem Hauptplatz hingerichtet, das Gold wurde nicht zurückgegeben. Einige Artefakte sind im Museum ausgestellt. Hier gibt es überall Queso Suizo (Schweizer Käse), er schmeckt sehr gut, aber nicht nach Schweiz...
Das Spital ist vorne Hui und hinten Pfui, typisch peruanisch.
Unser Übernachtungsplatz in der Stadt ist sicher, grosszügig und die Leute sind sehr nett. Der junge Besitzer hält in einer Ecke mehrere Kampfhähne, die frühmorgens lautstark um die Wette krähen, an ausschlafen ist nicht zu denken.
Auf dem Weg zurück an die Küste wollen wir nur eine Pause einlegen, aber der Platz am Gallito Ciego Reservoir ist zu schön und insbesondere ausgiebig badbar. Spontan bleiben wir eine Nacht.
Bei Trujillo besuchen wir Chan Chan, Hauptstadt des Chimu-Reiches und die grösste Lehmziegelausgrabungsstätte der Welt. Für die Eroberung leiteten die Inca den Rio Moche um, die folgende Wasserknappheit in der Stadt führte zur Kapitulation. Was nicht mit Spritzbeton konserviert wurde/wird, erodiert bei starkem Regen zu Sandhaufen. Die Grösse (28 km2) ist eindrücklich, zu besichtigen ist nur Nik An, ein vom Schweizer Archäologen Johann Jakob von Tschudi ausgegrabener Palast.
Etwas besser erhalten sind die Sonne- und Mondpyramide der Moche-Kultur. Zugänglich ist nur die Mondpyramide mit gut erhaltenen farbigen Reliefs. Zu sehen sind Gefangene, am Hals aneinandergefesselt, nackt und ohne Kopfbedeckung, die zur Opferung zum Altar eines - blutrünstigen - Gottes geführt werden. Damit sollte den zerstörerischen Fluten, die mit dem El Niño Wetterphänomen einhergehen, Einhalt geboten werden. Es hat nichts genutzt…
Vicky, die den kleinen Campground Huaca del Sol direkt am Fusse der Sonnenpyramide führt, informiert uns vor der Abfahrt, dass ab nächstem Montag – es ist Donnerstag – in ganz Peru mit Strassenblockaden gerechnet werden muss. Es wird gegen die hohen Treibstoffpreise (1 Gallone Diesel kostet ca. 17.50 Soles = 1 Liter zu ca. CHF 1.20!). Wir müssen einen sicheren Ort finden, wo wir die Blockaden abwarten können und entschliessen uns, zum 600 Kilometer entfernten Swiss Wassi – einem kleinen Campground in der Nähe der ecuadorianischen Grenze, zu fahren.
Das eindrückliche, moderne Museum der Lady of Cao fahren wir trotzdem noch an. Das Grab dieser gottähnlichen Priesterin konnte unversehrt geborgen werden. Die gut erhaltene Mumie, Goldkronen, Schmuck und das mit Goldplättchen verzierte Totenhemd sind ausgestellt, dürfen jedoch nicht fotografiert werden. Ihre Gesichtszüge wurden mit moderner Technologie aus der Forensik sichtbar gemacht. Das bisher eindrücklichste Museum in Peru.
Hier gäbe es einen tollen Übernachtungsplatz bei noch nicht ausgegrabenen Pyramiden, aber die Zeit drängt und wir müssen weiter.
Ein Pausenhalt beim Herrn von Sipan in Lambayeque interessiert nur Eva, Thomas hat genug von der Chan-Kultur gesehen. Ausländer bezahlen den dreifachen Eintrittspreis, dafür ist alles nur auf Spanisch angeschrieben, daran könnte man Anstoss nehmen.
Auch Ricardo von der Posada Azul erklärt uns, dass Strassen und Brücken ab Montag blockiert sein werden. Er lässt Overlander beim geschlossenen Restaurant übernachten und dokumentiert deren Fahrzeuge mit dem Handy. Preis: ein geselliges Bier. Am nächsten Morgen lässt er uns ohne Autowäsche nicht auf die Strasse.
Am Sonntagnachmittag erreichen wir Swiss Wassi bei Zorritos als drittes Fahrzeug, das hier Zuflucht sucht. Im Verlauf des Tages kommen weitere zwei CH-Camper dazu: mit Bettina und Roger haben wir uns bisher nur über WhatsApp ausgetauscht, Maria und Berni kennen wir schon länger. Der riesige orange Lastwagen-Camper einer französischen Familie war mit unserem Alphie auf der Grande Angola nach Uruguay und damals ebenfalls Einbruchsopfer.
Direkt am Meer, unter Palmen, mit Restaurant und netten Overlanderbekanntschaften lässt sich die Wartezeit gut aushalten. In Ecuador ist die Situation seit längerem aus dem gleichem Grund schlimmer.
Wie und wann es weiter geht ist ungewiss….